Tischlein decken am Markt: Premiere der weißen Dinner in Osnabrück
(jel) Osnabrück, 10. August 2011 / Picknick der besonderen Art: Ausgerüstet mit Tischen, Stühlen, Gläsern, Kerzen und feiner Tischwäsche haben am Samstag, 6. August, rund 100 weiß gekleidete Menschen bei einem "Diner en Blanc" unter den Arkaden der Stadtbibliothek am Markt getafelt. Drei Osnabrückerinnen, die unbekannt bleiben wollen, hatten über die Internetgemeinschaft Facebook zu dem ersten weißen Dinner nach Pariser Vorbild in Osnabrück geladen.
Bildergalerie: Diner en Blanc in Osnabrück
"Toll, dass wir trotz des schlechten Wetters so viele geworden sind", freute sich eine der Initiatorinnen. Die drei Frauen hatten im Mai in der Internetgemeinschaft Facebook eine Seite zu der Veranstaltung eingerichtet. Es wurden Freunde und Freunde von Freunden in die nicht öffentliche Teilnehmerliste eingeladen, zum Schluss waren es über 700. Wie bei den weißen Dinnern in Paris wurden genaue Informationen zu dem Picknick quasi bis zuletzt geheim gehalten. Das Datum war zwar bereits länger bekannt, auch die Uhrzeit wurde bereits einige Tage vorher bekannt gegeben, aber der Treffpunkt für die Teilnehmer wurde erst am Samstagnachmittag etwa zwei Stunden vor Beginn veröffentlicht.
Als die Gäste schließlich zur verabredeten Zeit auf dem Parkplatz vor dem Dom eintrafen, war nach wie vor unbekannt, wo das Diner en Blanc stattfinden würde. Nach einigen Minuten ging von Mund zu Mund herum, dass nun alle ihre Sachen mitnehmen und zum Domvorplatz kommen sollten. Ohne dass auszumachen war, wer der Anführer war, zogen alle über den Marktplatz zur Stadtbibliothek und richteten dort zwei lange Tischreihen ein. Unter den Gästen waren jüngere und ältere Leute, Paare und Familien mit Kindern (der jüngste Teilnehmer war 4), Studenten, Berufstätige und Ruheständler. Alle sozialen Schichten waren vertreten.
Bei dem Essen ging es fröhlich, aber nicht elitär zu: Einige junge Leute hatten zu spät von dem Dinner erfahren und waren in weißen Maleroveralls erschienen. Sie erhielten viel Lob für ihre Spontaneität. Ein weiß gekleideter Akkordeonspieler unterhielt die Gäste bei dem Essen mit Musik. Einige Teilnehmer tanzten sogar. Als krönender Abschluss wurden an den langen Tischreihen Wunderkerzen abgebrannt. Die Passanten wunderten sich. Viele dachten, dass es sich um eine Hochzeit handele. Manch einer, der nachfragte, hätte sich gerne gleich mit an den Tisch gesetzt.
{FOTO Ein Tänzchen in Ehren..}
Die Idee stammt aus Paris: Dort platzte 1988 eine private Geburtstagsparty derart aus den Nähten, dass sie spontan in den Bois de Bologne verlegt wurde. Daraus entwickelte sich die Tradition, jeweils einmal jährlich ein geheimes Picknick an einem Ort zu unternehmen, der eigentlich nicht dafür vorgesehen ist. In Paris wurden bereits der Champs-Élysées und der Louvre-Vorplatz von den Weißen besetzt - die Osnabrücker waren also vergleichsweise brav, indem sie einen Platz in einem Fußgängerbereich für das Dinner ausgewählt haben.
Die Abendessen in Weiß haben keine kommerziellen oder politischen Hintergründe, es geht nur um stilvollen Genuss in einem ungewöhnlichen Rahmen. Erste Bedingung ist gutes Benehmen: So gehört es zum Beispiel zu den Regeln, dass kein Müll hinterlassen wird und dass die Plätze im besten Fälle sauberer verlassen werden als sie vorgefunden wurden. Wie so genannte Flashmobs (spontane Menschenansammlungen, die per Telefonkette/Internet organisiert sind) werden die Abendessen in Weiß nicht vorher angemeldet. Die Initiatoren bleiben inkognito. Die Essen gelten als Treffen unter Freunden, es sind nur geladene Gäste zugelassen. Die Teilnehmer bringen sich neben Speisen und Getränken auch Tische, Stühle und Dekoration mit. Menschen ohne weiße Kleidung sind nicht zugelassen, auch Karnevalskostüme sind nicht erlaubt.
Auf Stil wird Wert gelegt: Auch Tischdecken, Teller und Servietten müssen weiß sein. Mitgebrachtes Essen sollte möglichst nicht in Plastikgefäßen auf den Tisch gestellt werden, sondern in weißer Keramik oder weißem Porzellan. Zur Dekoration werden Leuchter mit weißen Kerzen und Vasen mit Blümchen (die nicht weiß sein müssen) empfohlen.
An der weißen Tafel gilt übrigens das "Du": Die Teilnehmer sollten ihren Tischnachbarn zu beiden Seiten per Handschlag begrüßen und sich mit dem Vornamen vorstellen. Untereinander wird ein höflicher und respektvoller Umgang gepflegt. Schließlich haben ja alle, auch wenn sie sich gerade erst als Tischnachbarn kennen gelernt haben, zumindest in kulinarischer Hinsicht die gleiche Gesinnung.
© für Abbildungen: Eigenfotos, Aufnahmen:jel
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